Lesung von Peter Stamm

Vom Sternchenthema zur Sternstunde

Lesung von Peter Stamm an der Zeppelin-Gewerbeschule in Konstanz

stamm-2013

Bücher sind wie Menschen, sie fangen an für uns lebendig zu werden, wenn wir ihnen begegnen, den Buchdeckel öffnen, den Worten unbekümmert folgen zu einem noch unbestimmten Ziel, auf Entdeckungsreise gehen, auf Spurensuche.
Peter Stamm, der Schweizer Autor aus dem grenznahen Winterthur besuchte vergangenen Freitag die Zeppelin-Gewerbeschule in Konstanz.
Nach der großen Pause versammelten sich die Schüler aller Klassen des Technischen Gymnasiums, mit den drei Profilen Gestaltungs- und Medientechnik, Technik und IT, in der Aula, um den Spuren von „Agnes“ zu folgen, so der Titel von Stamms Roman, der im kommenden Frühjahr erstmals zu den drei abiturrelevanten Pflichtlektüren gehört, auch „Sternchenthemen“ genannt.
Nachdem die Schülerinnen und Schüler zunächst den Worten des Autors gelauscht hatten, der zwei kurze Kapitel aus dem Roman vorlas, wollten sie es genau wissen.
Und so entwickelte sich die Lesung für Schuldirektor Gerhard Bumiller, der den Fragenden jeweils das Mikrofon reichte, gewissermaßen zu einem sportlichen Event.
Wie der Autor auf das Thema des Romans gestoßen sei – die sensible Inszenierung einer Liebesgeschichte, in der die beiden Hauptfiguren sich abwechselnd aufeinander zu und voneinander weg bewegen als tanzten sie einen Tango: leidenschaftlich, stolz, die Nähe suchend und doch Distanz haltend.
Wieso der Autor seine Geschichte nicht aus auktorialer Perspektive erzählt habe – schließlich sei doch Agnes Sicht der Dinge aus der Feder des personalen Erzählers nur vermittelt zu erfahren. Ob sich der Autor mit seinem Protagonisten identifiziere. Warum die Handlung in den USA und nicht in Europa spiele. Was der Autor von Lektürehilfen halte, die Interpretationsvorschläge machen und den Schülern dabei helfen sollen, Texte zu erschließen.
Und schließlich, ob man als Autor tatsächlich einen Text so anlege, damit er auf eine bestimmte Weise interpretiert wird. Die Botschaft Peter Stamms, der nach eigener Aussage dem Schulfach Deutsch in seiner Jugend nahe stand, war hier: „Sie überlegen, was Sie dabei denken!“ Man interpretiere ohnehin immer beim Lesen, es entstehe eine individuelle Beziehung zwischen dem Leser und dem Text. Teilweise sei der Autor selbst überrascht über die Interpretationen von Lesern und manchmal müsse er dann erstaunt über die neue Sicht auf eine Passage sagen, ja, das stimmt, das kann man so sehen.
Das Interpretieren von Texten sei für ihn immer eher ein „Spielen“ gewesen. Einzutauchen in eine Geschichte, eine erfundene Welt mit erfundenen Figuren, sei eine Fähigkeit des Menschen, die er positiv sehe.
Wie das Ende des Romans tatsächlich ausgehe, einzig auf diese Frage wollte der Autor keine direkte Antwort geben, sie müsse offen bleiben. Die beiden Schulstunden vergingen wie im Flug und viele Schülerinnen und Schüler ergriffen die Gelegenheit, sich ihre Ausgabe schließlich von dem sympathischen Autor signieren zu lassen – eine Erinnerung an zwei Sternstunden.